Zeitungsverleger haben den Knall noch nicht gehört
Lesen wird angeblich immer altmodischer. Zumindest das von richtigen Zeitungen. Leider nicht das
von dem bunt und mit großen Buchstaben bedruckten Packpapier, das allenfalls zum Einrollen von
verdorbenem Fisch genutzt werden sollte.
Gegegen den Trend kämpfen die Zeitungsverleger zwar vehement - allerdings mit völlig untauglichen
Mitteln. Um wieder zu ihren früheren Gewinnen aufzuschließen, sparen sie, was das Zeug hält. Vor
allem an der Qualität, mit der sie trumpfen könnten: Die Redaktionen werden in einem nie
gekannten Ausmaß personell ausgedünnt.
Nachdem im Ruhrgebiet schon vor Jahren viele Lokalausgaben zusammengelegt worden waren, hat
jetzt der Süden nachgezogen. Einen besonders drastischen Schritt verkündete die Süddeutsche
Zeitung ihren Mitarbeitern und Lesern: Im Umland von München werden mehrere Landausgaben ganz
eingestellt, andere in ihrem Umfang reduziert.
Die Verantwortlichen haben es offensichtlich noch immer nicht verstanden, den Knall noch immer
nicht gehört: Ausgerechnet da, wo die Tageszeitungen den elektronischen Medien gegenüber punkten
könnten, ziehen sie sich zurück – während sie mit den Seiten, auf denen die teuersten Personen in
der Redaktion ihre eigene Wichtigkeit präsentieren dürfen, bei den Lesern immer weniger Eindruck
schinden.
Politik und große Ereignisse werden von den Fernsehsendern und Rundfunkanstalten bis zum
Erbrechen in „Extras“ und Sondersendungen zerpfückt. Da kommt die gedruckte Zeitung am
nächsten Tag einfach zu spät. Im Lokalen könnte sie allerdings – ebenso wie im Regionalen – ihren
Vorsprung ausspielen: über die Regionen verteilen sich viele Redaktionen und ihnen zuarbeitende
Menschen, die da wohnen und das Ohr vor Ort haben.
In die Bresche treten immer mehr Gruppen im Internet, die nicht nach journalistischen Grundsätzen
einordnende Gedanken, sondern „frei Schnauze“ ihr vermeintliches (oft gefährliches Halb-)Wissen in
die Welt pusten. Dazu haben viele kostenlos verteilte Anzeigenblätter den lokalen Informationsfluss
ebenso wie die lokalen Inserate aufgesaugt.
Statt sich in der Situation an die eigene Stärke zu erinnern und die noch auszubauen, wird genau
die immer mehr sträflich vernachlässigt. Wenige große Geschichten sind zwar billiger, decken aber
bei weitem nicht das Geschehen in den Gemeinden ab. Während es früher scherzhaft hieß: Solange
die Todesanzeige nicht in der Zeitung stand, ist jemand nicht gestorben. Heute haben viele
Anzeigenblätter am Wochenende ein Vielfaches an Anzeigen. Das versuchen manche Zeitungshäuser
zu kaschieren, indem sie seitenweise über angebliche Heilerfolge spezialisierter Ärzte und
Krankenhäuser berichten – möglichst klein und unauffällig mit dem Wort „Anzeige“ als das
deklariert, was es ist: ungeprüfte Werbung.
Die aktuellen Entwicklungen in vielen Zeitungshäusern in die falsche Richtung hängen sicher auch
damit zusammen, dass immer weniger von den Chefs alter Prägung geleitet werden, die zum Teil die
Zeitungsluft als Erben schon mit der Muttermilch eingesogen hatten. Immer öfter treiben
branchenfremde Betriebs- und Volkswirte ihr Unwesen – unterstützt von sich auf allen Ebenen
breitmachendem Juristen-Gschwerl.