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Wir sind absolute Weltmeister im Bürokratie-Schwachsinn Dass man in Deutschland länger braucht, nur die Anträge für einen Neubau auszufüllen, als es in anderen Ländern dauert, den Bau zu planen und auszuführen, ist hinlänglich bekannt – und immer wieder Grund, sich über den Bürokratie-Schwachsinn bei uns zu mokieren. Aber manchmal finden sich auch so unglaubliche Beispiele, dass man sich darüber amüsieren muss, wie bekloppt wir sind. Dabei geht es in diesem Beispiel nicht um einen neuen Flughafen (Berlin), eine Konzerthalle (Hamburg), den Neubau eines Hauptbahnhofs (Stuttgart) oder um ein anderes Bauwerk von herausragender Bedeutung, sondern um ein Autobahnschild, das auf eine Mühle hinweist. Das wird amtlich nicht so verständlich genannt: Die korrekte Amtsbezeichnung lautet „Touristische Unterrichtungstafel“. Bundesweit informieren rund 3400 derartige Tafeln über Kultur-, Bau- und Bodendenkmäler. Nun kann eine Gemeinde oder eine andere Gebietskörperschaft ein solches Bauwerk (man ist versucht, zu schreiben: natürlich) nicht einfach aufstellen. Dafür gibt es einen in vermutlich zig Arbeitskreissitzungen von einer unendlichen Zahl von teuren Sesselpupsern hin und her diskutierten Weg, der nun zwingend vorgeschrieben ist. In Nordrhein-Westfalen ist der Ansprechpartner dafür die Autobahn GmbH. An die hat eine Gebietskörperschaft den Antrag zu richten. Die veranlasst sodann, dass ein Gremium mit rund 20 Vertretern sich mit dem Vorhaben beschäftigt. 18 rekrutieren sich aus Wirtschaft, Tourismus und Kultur, zwei entsendet die Autobahn GmbH. Zum Verfahren gehört einerseits eine Standortprüfung, andererseits müssen die Designvorschläge freigegeben werden. Nach einem positiven Entscheid dieses erlauchten Gremiums muss die Tafel innerhalb von drei Jahren aufgestellt werden. Wer den Antrag stellt, trägt die Kosten – rund 25.000 Euro. Als Nutzungsdauer sind 15 Jahre kalkuliert. Zunächst beschäftigte sich in unserem Fall der Gemeinderat mit dem Antrag einer Partei, ein solches Schild an der Autobahn aufzustellen, die durch das Gemeindegebiet führt. Die Empfehlung der Verwaltung lautete, den Vorschlag abzulehnen. Eine Fraktion regte an, kleinere (und preislich günstigere) Varianten zu prüfen. Die Mehrheitsfraktion äußerte „erhebliche Zweifel“, dass Touristen sich von dem Schild zu einem Besuch anregen lassen würden. Eine andere Gruppe merkte an, dass ja vielleicht Fördermittel beantragt werden könnten. Letztlich folgte der Gemeinderat einstimmig dem Vorschlag einer Fraktion, das Thema zur Beratung an den Ausschuss Stadtmarketing, Tourismus und Kultur zu verweisen, da zu diskutieren und dann letztlich im Rat darüber abzustimmen, ob ein solches Schild beantragt werden soll. Bei dieser Gemeinde sind derartige Abstimmungen auch deshalb kompliziert, weil die 13.000 Einwohner in drei Ortsteilen wohnen, die heftig konkurrieren und deshalb äußerst misstrauisch darauf achten, dass niemand bevorzugt wird. Das hat nicht unbedingt mit der deutschen Vorliebe für möglichst umständliche und uneffektive Planung zu tun – ist aber in diesem unserem Land ebenfalls sehr ausgeprägt. Der Fisch stinkt vom Kopf, aber auch „unten“ riecht es sehr streng.
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