Wie es zugeht in diesem unserem Lande . . .
Die Zeit um den Jahresanfang eignet sich wie keine andere dazu, grundsätzliche Betrachtungen
darüber anzustellen, wie es zugeht in diesem unserem Lande. Die folgenden Punkte sind nur eine
(kleine) Auswahl an Auffälligkeiten, und die Reihenfolge stellt keinerlei Wertung dar:
In einem Land, in dem von einer Mehrheit als beliebtester Bundespolitiker der Besitzer
des Postens genannt wird, der früher einmal Bundesminister der Verteidigung hieß und
der sich schon wegen seiner Wortwahl immer mehr zu einem Kriegsminister wandelt.
In einem Land, im dem viele der angeblichen Christen jeden Bezug zu „ihrem“ Fest
verloren haben und als wichtigsten Veranstaltungsort für ihre Familien den Platz auf der
Couch vor dem Fernseher empfinden, um gemeinsam die x-ten Wiederholungen von „Drei
Haselnüsse für Aschenbrödel“ oder „Der kleine Lord“ anzuschauen.
In einem Land, in dem einem österreichischen Blender, der von einem Staatsfond aus
Abu Dhabi auf über 700 Millionen Euro verklagt wird, die Konsumtempel einer
untergehenden Epoche anvertraut wurden und damit die Entwicklungen vieler Innenstädte
seinem turbokapitalistischen Gewinnstreben zugestanden worden sind.
In einem Land, in dem das Rechtsempfinden der Menschen wie am Nasenring durch die
Manege früher vielleicht einmal ehrwürdiger Gerichtssäle gezogen wird, wenn „Juristen“ –
die man Winkeladvokaten nennen möchte, wenn das Landgericht Köln den Begriff 2011 in
einer Entscheidung nicht strafbewehrt als Beleidigung gewertet hätte – in „Deals“
genannten Absprachen zwischen Justiz und Verbrechern besonders günstige Strafen
verhandeln.
In einem Land, in dem mit einer absoluten Mehrheit der Volksvertreter aller Couleur seit
Jahren diejenigen Großverdiener geschont werden, die sich nur mit einem besseren
Trinkgeld an den Kosten des Gemeinwesens beteiligen, während die finanziellen
Daumenschrauben für Menschen mit durchschnittlichen Einkommen immer mehr angezogen
werden und die wirklich Bedürftigen am unteren Ende der Einkommen-Skala immer
weniger Unterstützung erfahren.
In einem Land, in dem ausländische Investoren mit Milliardensummen gepampert werden,
während den Ärmsten der Armen die Zuschüsse in aufgeblähten Neiddiskussionen
verleidet und in einer bis vor kurzem noch undenkbaren Radikalität gekürzt werden.
In einem Land, in dem fehlendes Geld nicht mehr mit dem einzig passenden Begriff
Schulden benannt, sondern sträflich verharmlosend und irrführend mit „Sondervermögen“
umschrieben wird.