Vom hausgemachten Niedergang der Tageszeitungen
Während vor 20 oder 30 Jahren die Einnahmen am Wochenende mit einem veritablen Lieferwagen
zur Bank gefahren werden mussten, wäre heute dafür oft der Kofferraum eines Kleinwagens zu
groß. Wenn die meisten Verlage nicht draußen vor der Stadt prahlerische Neubauten aus dem Boden
gestampft hätten, sondern in den Innenstädten geblieben wären, ließen sich wöchentliche
Überschüsse zu Fuß in die Bank nebenan tragen.
Zwar wurde jeder andere technische Blödsinn mitgemacht, aber das Internet extrem lange verpennt
– jedenfalls die Möglichkeit, mit Informationen in diesem elektronischen Medium Gewinne zu
erzielen. Erst nach und nach verbreitete sich die Erkenntnis, wichtige Nachrichten hinter
„Bezahlschranken“ zu verstecken. Aber zu der Zeit waren die meisten Internetnutzer schon auf
eine kostenlose Netz-Nutzung sozialisiert.
Zudem setzen viele Verlage auf das falsche Pferd, indem manche Chefs in einem Maße mit der
großen Politik liebäugeln, das zwar ihrer eigenen gefühlten Wichtigkeit entspricht, aber nicht den
Interessen der Leser. Die waren und sind schon genervt genug von dem täglichen Schaulaufen der
Großkopfeten auf gleich mehreren Fernsehsendern. Zudem werden „große“ Nachrichten rund um die
Uhr und blitzschnell im Internet verbreitet. Was stattdessen zunehmend fehlt, sind Darstellungen
aus dem lokalen oder regionalen Umfeld. Das hat sich nicht zufällig entwickelt, sondern entspricht
"Relevanzkriterien". Die wurden in ewig dauernden Laberstunden angeblich herausgearbeitet – in
Wirklichkeit aber von oben vorgegeben.
Lokalredaktionen wurden personell ausgedünnt, Ausgaben zusammengelegt, Umfänge teils von der
Textmenge her reduziert – teils ließen aber auch dramatische Rückgänge der Anzeigen
Wochenendausgaben mit vormals stolzen Umfängen von über 160 Seiten insgesamt um über 100
Seiten schrumpfen.
Umzüge aus den Innenstädten aufs freie Feld verschlangen massig Geld, brachten dafür viele
Arbeitszimmer. Die wurden später zu Großraumbüros umgebaut, in denen sich Schreiberlinge wie
Hühner in Großställen halten ließen. Hatte vorher bei der täglichen Konferenz der Qualm aus
Pfeifen, Zigarren oder Zigaretten die Luft manchmal fast undurchsichtig gemacht, waren früher
Bierflaschen in der Kantine zu kaufen gewesen, wurde in der Beziehung dem Zeitgeist
hinterhergehechelt: Rauchen nur noch in einer speziellen Raucherkabine, kein Alkoholverkauf im
Haus. Mit der Folge, dass manche sich Tag für Tag auf dem Weg zur Arbeit mit vollen Flaschen in
Plastiktüten abschleppten. Untersuchungen darüber, ob derlei Aktionismus sich positiv auf die
Qualität des Blattes ausgewirkt hat, sind nicht bekannt. Heute wirken viele Büros verwaist, nur
wenige Häuptlinge befinden sich vor Ort, während (immer weniger) Indianer im Homeoffice arbeiten.
Bei Lesern sinkt derweil die Akzeptanz der Tageszeitungen kontinuierlich – und damit auch deren
Auflage. Da rechnen manche Verlage schon mit spitzem Stift, ob sich technische Aufrüstungen noch
lohnen. Immerhin schlägt eine neue Druckmaschine leicht mit einem zweistelligen Millionenbetrag zu
Buche, wird zugleich der Vertrieb immer teurer. Für die Schnapsidee einiger „Offizieller“, den
Vertrieb vom Staat alimentieren zu lassen, gibt es weder vernünftige Gründe noch sind politische
Mehrheiten absehbar.
Vielleicht lesen wir bald nur noch Internetausgaben.