Vom Sterben als Strafe und vom Sterben als Wunsch
Auf der anderen Seite des Atlantiks hat in den USA der Oberste Gerichtshof des Bundesstaates
Alabama gerade entschieden, dass ein Häftling mit Stickstoff hingerichtet werden darf.
Dem Urteil vorausgegangen waren vergebliche Versuche, einen verurteilten Mörder mit einer
Injektion zu töten, weil man die Schläuche nicht richtig in die Venen schieben konnte. Erfahrung
mit der Stickstoff-Methode gibt es bislang nicht. Befürworter behaupten nicht nur, so sei die
Tötung weniger brutal, sondern das Wall Street Journal versteigt sich gar zu der Behauptung,
damit gebe es endlich eine „humane Methode der Hinrichtung“. Das konservative und den
Republikanern zugeneigte Blatt ist nach der Auflage die zweitstärkste Tageszeitung und
ansonsten als einflussreiches Forum für die organisierte Bewegung der Klimaleugner ebenso
berühmt wie berüchtigt.
Die Einschätzung einer „humanen“ Tötungsmethode ist nicht nur deshalb umstritten, weil es
keinerlei Erfahrung mit ihr gibt, sondern auch, weil der Todeskampf langsam und schmerzvoll sein
kann und sich beim Überleben des Probanden schwere Hirn- und Organschäden einstellen können.
– Unabhängig von dem Umstand, dass es sich bei der Todesstrafe grundsätzlich um ein ethisch,
strafrechtlich und praktisch umstrittenes Relikt aus archaischen Zeiten handelt. Sie wird von
vielen zivilisierten Menschen als unvereinbar mit den Menschenrechten angesehen.
Diesseits des Atlantiks hat das Bundesverwaltungsgericht gerade entschieden, dass auch
unheilbar Kranke keinen Anspruch auf ein tödliches Medikament vom Staat haben. Zwei
Patienten, von denen einer an Multipler Sklerose und einer an Krebs so erkrankt sind, dass sie
sich die Arzneien nicht selbst besorgen und verabreichen können, hatten beim Bundesamt für
Arzneimittel die Genehmigung für die Herausgabe einer tödlichen Dosis des Medikaments
Natrium-Pentobarbital beantragt und sich dabei auf ihr „Grundrecht auf selbstbestimmtes
Sterben“ berufen.
Nach der Ablehnung ihres Antrags hatten sie durch die Instanzen geklagt, bis der dritte Senat
des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig entschied, dass die Kläger keinen Anspruch darauf
hätten, Hilfe zum Suizid vom Staat zu bekommen.
Nachdem vor wenigen Jahren eben dieses Gericht noch in einem anderen Fall entschieden hatte,
in eng begrenzten Ausnahmefällen sei der Staat verpflichtet, ein Medikament zur Selbsttötung
zur Verfügung zu stellen, hat sich inzwischen die Rechtslage geändert. Damals gab es im
Strafgesetzbuch noch das Verbot der „geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung“.
Nachdem das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe im Februar 2020 aus dem im Grundgesetz
verankerten Recht auf „selbstbestimmtes Leben“ das Recht auf „selbstbestimmtes Sterben“
abgeleitet hatte, machen sich Hilfsvereine nicht mehr strafbar, wenn sie einem Suizid
begehrenden unheilbar kranken Menschen die Hilfe von Arztpraxen vermitteln, tödliche
Medikamente zu erlangen. Insofern gebe es jetzt andere Möglichkeiten und keine Verpflichtung
mehr für den Staat, tödliche Medikamente zur Verfügung zu stellen.