Vom „Opfelsoft-Hubsi“ und seiner Demokratie
Getreu dem Motto, dass es nach dem Heizungs-Chaos höchste Zeit war, eine neue Sau durchs Dorf zu
treiben, haben sich die öffentlichen Meinungsmacher jetzt auf einen Satz des Söder-Stellvertreters
gestürzt. Der hatte in seiner unnachahmlichen Art vor 13.000 Menschen gefordert: „Jetzt ist der Punkt
erreicht, wo endlich die schweigende große Mehrheit dieses Landes sich die Demokratie wieder
zurückholen muss.“
Seine Gegner toben: Das sei AfD-Sprech, damit fische er am rechten Rand.
Es ist nicht ganz auszuschließen, dass der Diplom-Agraringenieur Hubert Aiwanger, der den Freien
Wählern sowohl in Bayern als auch auf Bundesebene vorsitzt, das tatsächlich im Sinn hatte – schließlich
ist bald Landtagswahl in Bayern.
Denkbar ist aber auch ein anderer Grund für diese Forderung. Und die hätte der wegen seines Dialektes
oft als „Opfelsoft-Hubsi“ geschmähte Niederbayer dann völlig zu Recht verlangt. Dann nämlich, wenn er
die Demokratie von den vielen Interessenverbänden in die politischen Gremien zurückholen wollen würde,
die sich – neben den Parteien und oft genug auch mit deren Hilfe – die Entscheidungen unter den Nagel
gerissen haben.
Ganze Heerscharen von Lobbyisten und Beratern sorgen auf allen möglichen Ebenen dafür, dass die
eigentlichen Entscheidungsträger zwar pro forma die Beschlüsse fassen, dabei aber immer weniger nach
ihrem eigenen Eindruck und nach ihrem Gewissen abstimmen. In den allermeisten Fällen werden die
Entscheidungen von angeblichen Sachverständigen vorbereitet, bei denen durchaus nicht immer die reine
Lehre zählt, sondern die ihren Auftraggebern verpflichtet sind: Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.
Wenn Aiwanger mit seinem Satz gemeint haben sollte, dass er (und die Vertreter seiner Freien Wähler)
das ändern wollen, dann kann man ihm nur zustimmen.
Damit seine Gedanken aber gar nicht erst in diesem Sinne analysiert werden, haben seine politischen
Gegner zu einem nicht anders als widerlich zu nennenden Trick gegriffen: Sie weisen darauf hin, dass
die AfD ähnliche Gedanken formuliert habe. Damit schieben sie den Vorsitzenden der Freien Wähler mit
Absicht – und man darf mit einigem Recht vermuten – mit den bösesten denkbaren Hintergedanken in die
braune Ecke der Rechtsextremisten.
Aiwanger kontert auf bekannt schlitzohrige Weise: „Nur weil irgendwann mal ein AfDler etwas Ähnliches
gesagt hat, ist das noch lange kein Tabu-Satz für jeden anderen. Morgen ruft die AfD dazu auf, in
Lederhose aufs Oktoberfest zu gehen, dann dürfte niemand mehr in Lederhose aufs Oktoberfest gehen
– oder was?“
Die Gefahr ist tatsächlich gar nicht so klein: Indem die AfD zu allen möglichen Themen Forderungen
aufstellt, könnte sie die demokratischen Parteien blockieren, die sich selbst dazu verpflichtet haben,
grundsätzlich gegen alles zu sein, wofür sich Rechtsextreme aussprechen – statt die Fragen rein sachlich
zu betrachten.