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Till Lindemann sitzt auf der Sperma-Kanone und singt Es ist eine Binse, dass die Geschmäcker verschieden sind. Und über Geschmack lässt sich nicht – oder eben trefflich streiten. Die lateinische Weisheit „de gustibus non est disputandum“ stammt zwar nicht aus der Antike, ist aber deshalb nicht weniger wahr und trifft vor allem auf Musik zu. Was manch einem wie klingende Harfen aus himmlischen Sphären vorkommt, kann anderen als grässlicher Lärm in die Ohren dröhnen. Wilhelm Busch, der Klassiker des deutschen Humors, formulierte treffend: Musik wird oft nicht schön gefunden, weil stets sie mit Geräusch verbunden. Der gelernte Bautischler Till Lindemann hat über viele Zwischenschritte eine einigermaßen beispiellose Karriere hinter sich und entwickelte sich über mehrere Stationen zur aktuell wohl umstrittensten Figur der Musikszene. Er war schon als Schauspieler aktiv, als bildender Künstler, als Lyriker, ist ausgebildeter Pyrotechniker, Jäger und Angler und tritt vor allen Dingen auf als Frontmann und Texter der Rockband Rammstein sowie der nach ihm benannten Band Lindemann. Seit Wochen wird – teils in reißerischer – Aufmachung über angebliche Vorwürfe berichtet, Lindemann habe sich junge Frauen zur sexuellen Verfügung zuführen lassen. Anonym berichteten mehrere weibliche Fans, von einer „Casting-Direktorin“ für After-Show-Partys mit direktem Kontakt zum „Künstler“ angeworben worden zu sein. Dort sei es – zum Teil unter Einsatz von Drogen – zu nicht einvernehmlichen sexuellen Handlungen gekommen. Die Staatsanwaltschaft Berlin ermittelt – und Lindemann fährt mit dem wohl bekanntesten „Medienanwalt“ scharfe Geschütze gegen Berichte auf – so zum Beispiel gegen solche im Spiegel. Rechtlich ist die Lage absolut eindeutig, was die Anschuldigungen betrifft, die gegen Lindemann erhoben werden: Da sind zwingend eventuelle Gerichtsverfahren abzuwarten. Ermittlungen sagen noch nichts über Schuld oder Unschuld aus. Nach unseren Rechtsgrundsätzen gilt bis zu einem gerichtlichen Urteil selbst für größte Verbrecher die Unschuldsvermutung. Wer sich allerdings einer Sprache bedient, die so unzeitgemäß sei - wie die Zeitung konstatiert, hinter der angeblich immer ein kluger Kopf steckt -, der „kreise mit fast selbstquälerischer Besessenheit ums Thema der Hässlichkeit“. Lindemann hat zudem über den Kannibalen von Rotenburg geschrieben und über den Österreicher, der seine Tochter 24 Jahre im Keller gefangen gehalten und sieben Kinder mit ihr gezeugt hat. Eine Literaturwissenschaftlerin reflektierte in einer politischen Fachzeitschrift über sexuellen Machtmissbrauch in der Musikindustrie unter dem Titel „Das Rammstein-Syndrom: Junge Frauenkörper als Wegwerfware.“ Wenngleich bisher keine Straftatbestände bewiesen sind: Wer sich solcher Sprache bedient und auf einem Riesenpenis reitend Schaumsperma über seine Fans verspritzen lässt, dessen Verhalten (und das der freiwilligen Empfänger) ist mit spätrömisch dekadent nur unzureichend umschrieben. Da kann man durchaus die Meinung vertreten, dass eine krankhafte Form einer Persönlichkeitsstörung zutage tritt, und den Rat geben, sich tunlichst behandeln zu lassen.
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