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Statt Löwe jetzt ein Wildschwein als Wappentier? Vielleicht hätten die Berliner ihr Wappen gerne mit einem Löwen geschmückt, aber es hat nicht sollen sein. Es wird wohl beim Bären bleiben. Als Trost: der kommt als Wappentier deutlich seltener vor als der geradezu inflationär verwendete Löwe. Wenn die Löwen-Hatz in Berlin tatsächlich eine Erfindung der Werbeabteilung des Stadtstaates war, um einen Tausch des (auch an Russland erinnernden) Wappenungeheuers vorzubereiten, dann ist die Aktion gründlich in die Hose gegangen. Zwar beherrschten die Nachrichten über die Jagd nach dem Raubtier (immerhin mit Hundertschaften und sogar mit Hubschraubern) durchaus längere Zeit die Nachrichten, aber doch dann abgeblasen werden musste. Vielleicht steckte dahinter der Gedanke, sich vom Bären zu verabschieden, weil in letzter Zeit immer wieder von Problembären die Rede war. Vor allem von solchen, die Bayern durchstreifen. Und der Bär war nicht immer das Wappentier der Stadt Berlin: Im Mittelalter könnte er als Vorgänger den Adler gehabt haben. Dagegen ist die Geschichte des Löwen als Wappentier sehr viel älter. Schon eiszeitliche Jäger haben vor mehr als 30.000 Jahren den Löwen dargestellt, der in vielen Kulturen als der König der Tiere gilt. Was liegt da näher, als dass die sich selbst für den Nabel der Welt haltende deutsche Hauptstadt gerne mit diesem Tier auf dem Wappen schmücken würde. Mal wurde der Löwe als eine menschenfressende Bestie dargestellt, mal als Held: Ein entlaufener Sklave hatte einem Löwen einen Dorn aus der Pfote gepuhlt; als er später zur Strafe für seine Flucht den Löwen zum Fraß vorgeworfen werden sollte, erkannt ihn das Tier wieder und weigerte sich, den Mann zu fressen. In der Bibel wird vom Evangelisten Markus sogar ein geflügelter Löwe erwähnt – und mit Fliegen haben die Berliner es doch, denken wir nur an das Mammutprojekt BER. Auch in zahlreichen anderen antiken Kulturen spielte der Löwe eine Rolle. In Ägypten wurden Pharaonen als Sphinx dargestellt, als Löwe mit Menschenkopf. Die berühmteste derartige Darstellung ist der Große Sphinx von Gizeh – alles Größenordnungen, die zur sprichwörtlichen Berliner Bescheidenheit passen. Vor dem Hintergrund ist zu verstehen, mit welch enormem Aufwand nach dem gewünschten Wappentier Ausschau gehalten wurde – und wie groß die Enttäuschung zuschlug, als bekannt wurde, welchem Irrtum man erlegen war. Bei dem Viech, das manche gesehen und einige sogar fotografiert oder gefilmt haben wollten, hat es sich nach den letzten Erkenntnissen nicht um den erträumten Löwen gehandelt, sondern um eine ordinäre Sau. Genauer um ein Wildschwein, lateinisch: sus scrofa. Der Allesfresser ist ein Paarhufer in der Familie der echten Schweine und die Stammform des Hausschweins, des sus scrofa domesticus. Zwar kommen auch Schweine als Wappentier vor und gehören zu den ältesten. Dabei wurden ihm Eigenschaften wie Intelligenz und Stärke zugeschrieben – hätte insofern aber eh nicht unbedingt zu Berlin gepasst.
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