Natürlich durfte Elon Musk uns Ratschläge erteilen
Landauf, landab ist das Entsetzen groß, dass der reichste Mensch der Welt, natürlich ein
Amerikaner, nur wenige Wochen vor der Wahl eines neuen Bundestags sich erdreistet hat, eine
Wahlempfehlung auszusprechen. Gerade so, als hätten sich die Medien in Deutschland nicht sehr
ausdrücklich in den Kampf eingemischt, als es um die Wahl des Präsidenten der Vereinigten Staaten
ging, und sich so gut wie einhellig gegen den vorbestraften Verbrecher gewandt, der dann leider doch
die Wahl gewann.
Wenn aber wir uns da einmischen, warum sollte – gleiches Recht für alle – Elon Musk zum Wahlkampf
bei uns schweigen. Natürlich durfte er uns Ratschläge erteilen. Nicht weil er vor Geld stinkt,
sondern trotzdem. Meinungsfreiheit ist nämlich nicht vom Bankkonto abhängig. Jedenfalls war das
bisher bei uns nicht so.
Eine ganz andere Frage ist, ob man auf das politische Geschwafel einer auf diesem Gebiet
offensichtlich völlig unkundigen Rampensau etwas geben sollte, der Donald Trump bei einigen
Veranstaltungen auf der Bühne so umtanzte, wie man sich die Auftritte mittelalterlicher Clowns bei
Hofe (weltlichen wie kirchlichen) vorstellt.
Und auch die Aufregung, dass er die AfD empfiehlt, ist schizophren. Bei den rechten Feinden
unserer Verfassung handelt es sich zwar ganz eindeutig um eine „Partei“, die eine andere
Gesellschaftsordnung als Ziel hat und ein Sammelbecken von Faschisten ist – aber was werfen wir
dem Trump-Knecht eigentlich vor, wenn wir es doch nicht einmal selbst geschafft haben, den Höcke-
Weidel-Chrupalla-Klan zu verbieten.
Selbst das Gezeter über das Interview mit dem politischen Seiteneinsteiger, das die „Welt am
Sonntag“ veröffentlicht hat, ist verlogen. Musk kann man im wahrsten Sinne des Wortes einen
Dilettanten nennen: Vielleicht tut er zwar gerne, was er macht, hat aber keine Ahnung davon.
Dennoch wäre die Aufregung der Wochenzeitung gegenüber nur dann berechtigt, wenn es sich bei ihr
um ein Qualitätsmedium handeln würde. Aber dazu zählt sich das Blatt vermutlich nicht einmal
selbst. Unter auch nur einigermaßen kritischen Beobachtern gelten zumindest einige der Produkte aus
dem Haus der Springer-Witwe sowie des früheren Präsidenten des Verbandes der Zeitungsverleger
eher zum Genre der bunt bedruckten Packpapiere für faulen Fisch als zur Liga
verantwortungsbewusster Blätter.
Der Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner ist übrigens im weitesten Sinne ein Kollege von Elon
Musk – mit deutlichem Gefälle: Während das Privatvermögen des Amerikaners dem Vernehmen nach
bei deutlich über 400 Milliarden liegt, verfügt Döpfner (unter anderem durch Witwe Springers
Gnaden-Geschenke) gerade mal über eine Milliarde.
Ein wunderbarer Beweis dafür, dass nicht alle im Haus zu den politischen Hetzern um der Auflage
Willen zählen, darf der Umstand gelten, dass unmittelbar nach dem Andruck der Sonntagszeitung die
Leiterin des Ressorts „Meinung“ ihre Kündigung geschrieben hat: Der Anstand im Hause Springer ist
noch nicht ganz ausgestorben.