Millionen Couch-Trainer schimpfen auf “Flick”-Schusterei
In der Sache kann ich mir kein Urteil erlauben: Ich habe keine Ahnung von Fußball und kann weder
erkennen, wann eine Berührung als Handspiel abgepfiffen werden muss und wann nicht – noch kann
ich gar die Abseitsregel erklären.
Insofern muss niemand Angst haben, hier und jetzt mit meinem fußballerischen Unvermögen
malträtiert zu werden. Das hat nicht nur in der Theorie Tradition, sondern auch in der Praxis:
Wenn wir im Sportunterricht Fußball spielten und der Lehrer zwei Mannschaftskapitäne bestimmte,
die sich jeweils zehn Spieler aus den Klassenkameraden aussuchen durften, dann musste einer der
beiden (das waren meist Günter und Wilfried) zwangsläufig anfangen. Der mit dem ersten Zugriff
nahm immer Hans. Für diesen Vorteil, die erste Wahl zu haben, musste seine Mannschaft mich als
Dreingabe akzeptieren. Ich weiß nicht genau, was im Golf ein Handikap ist, aber ich gehe davon
aus, ich war für meine Mannschaft das ausgleichende Handikap.
Ich habe mich bei den Berichten über das blamable Fußballspiel weniger auf die Beschreibungen der
verpassten Chancen konzentriert, sondern mit großem Interesse in den Leserkommentaren die
Ansichten der Couch-Trainer gelesen. Die kommen in ausgefeilten Analysen der angeblich sehr oder
gar extrem begrenzten Fähigkeiten einzelner Spieler sehr häufig zur Folgerung: Der Flick muss
weg. Wie gesagt, meine Kenntnisse in Sachen Fußball halten sich in engen Grenzen. Aber meines
Wissens hat Flick doch gar nicht mitgespielt, sondern saß oder stand neben dem Spielfeld da, wo
sein Vorgänger sich - oft in der Nase popelnd, manchmal auch mit einer Hand in seiner
Hosentasche im Schritt fummelnd – aufhielt. Zumindest die äußere Darstellung hat sich seitdem
zum Besseren verändert.
Allerdings ist mir bei den Leserkommentaren etwas anderes aufgefallen. Viele Vergleiche mit der
aktuellen Politik. Ich gehe nicht davon aus, dass die Parteien schon jetzt die Fußballwelt im
Hinblick auf die nächsten Wahlen beackern und mit gedungenen Schreibern die Stimmung in die von
ihnen gewünschte Richtung lenken lassen. Aber wenn das nicht gesteuert ist, dann fällt das nicht
unerhebliche Vorpirschen des rechten Flügels auf. Wie anders wäre es zu erklären, dass davon
gefaselt wird, Scholz sei der Bursche von Merkel, Habeck der von Scholz und Flick der von Löw.
Wenn solchem Blödsinn dann auch noch ein wissenschaftlicher Anstrich verpasst wird (da nenne man
das Hausberufung), dann ist die höchste Form von Dummheit erreicht.
Das mit großen Buchstaben bedruckte Packpapier für faule Fische titelt: „Flick vor Rauswurf“ –
„Wen wollen Sie als Bundestrainer“ – „Flick bettelt um Erlösung!“ Ein Leser eines nicht gerade als
Sport-Magazin bekannten Mediums: Die Gesichter von DFB-Chef Bernd Neuendorf, Sportdirektor
Rudi Völler und DFL-Aufsichtsratsboss Hans-Joachim Watzke auf der Tribüne hätte man in der
zweiten Halbzeit ohne Probleme für Mount Rushmore verwenden können.
Und ein anderer fordert kurz und bündig: Bitte keine weitere “Flick”-Schusterei mehr.
Da haben wir mal einen Trainer, dessen Name in die deutsche Sprache eingegangen ist – und dann
soll der weg? Unglaublich!