Friedrich Merz ist als Kanzlerkandidat nicht mehr tragbar
Er war von Anfang an wahrlich nicht unumstritten, als er seinerzeit den Vorsitz der politischen
Interessengemeinschaft CDU übernahm, die einmal eine große Volkspartei gewesen war und jetzt
auf dem Weg nach unten dümpelte. Schließlich hatte er noch keine Wahl gewonnen, war aus der
Politik ausgeschieden und hatte ausgerechnet beim größten internationalen Finanzdienstleister (in
der Umgangssprache auch Heuschrecke genannt) angeheuert und dann von da aus Kurs auf das
Amt des Bundeskanzlers genommen.
Dass er sich seit seinem Sprung an die Spitze der angeblich christlichen demokratischen Union
treffsicher von einem Fettnapf in den nächsten bewegt hat, sorgt für zunehmende Unruhe in
seiner Partei. Einen Höhepunkt bildet dabei sein letztes Eintauchen in die Welt der Lügen, deren
sich sonst eher blau-braune Extreme von der rechten Front bedienen.
In einer TV-Sendung hatte Merz gesagt, 300.000 Personen in Deutschland seien
ausreisepflichtig, würden aber nicht ausreisen und die »volle Heilfürsorge bekommen«: „Die
sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen, und die deutschen Bürger nebendran
kriegen keine Termine.“
Was ihn zu der dreisten Unwahrheit getrieben hat, ist ganz offensichtlich selbst vielen
Mitgliedern seiner Partei nicht klar. Ranghöchster deutlicher Kritiker war der Vizechef des
CDU-Sozialflügels, Christian Bäumler. Er rief Merz dazu auf, seine Äußerungen zurückzunehmen
oder auf die (eh noch nicht festgelegte) Kanzlerkandidatur zu verzichten.
Auf das Verhalten von Merz passt, was Bertolt Brecht in seinem „Leben des Galilei“ absolut
zutreffend beschrieben hat: Wer die Wahrheit nicht weiß, der ist bloß ein Dummkopf. Wer die
Wahrheit kennt und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher. Jetzt kann Friedrich Merz sich
aussuchen, was auf ihn zutrifft. Wenn er nur nicht gewusst hat, wie sich das mit Flüchtlingen
und der ärztlichen Versorgung verhält, dann ist er lediglich ein Dummkopf. Ansonsten trifft die
andere Benennung Brechts zu. Für das Kanzleramt disqualifiziert ihn die eine wie die andere
Annahme.
Das Vorstandmitglied der Linken Daphne Weber stellte Strafanzeige gegen Merz. „Der
Straftatbestand der Volksverhetzung, § 130 StGB, ist erfüllt, weil Herr Merz wissentlich
wesentliche Fakten ausgeblendet hat, um geflüchteten Menschen die Schuld für soziale Probleme
wie Wohnungsmangel oder unzureichende medizinische Versorgung zuzuschieben“, schreibt Weber
in ihrer Anzeige.