Dschungelcamp – jedem Tierchen sein Pläsierchen
Die sprichwörtliche Redensart ist sehr viel älter als die in ein Fernsehformat gepackte legitime
Nachfolge der römischen Gladiatorenkämpfe, bei denen auch schon primitivste „Bedürfnisse“
kranker Voyeure bedient wurden. Dschungelcamp heißt nur in der Umgangssprache so, eigentlich
schimpft sich die Zeitvergeudung: „Holt mich hier raus – Ich bin ein Star!“
Die erste Staffel dieser Produktion lief vor 20 Jahren in dem schon damals auf eine besondere
Klientel spezialisierten Fernsehsender, der in seinem Namen ein für Steuerersparnis bekannten
Nachbarland trägt, aber seinen Sitz in Köln hat und als einer von acht Geschäftsbereichen rund
ein Drittel zum Umsatz des Medienkonzerns Bertelsmann beiträgt.
Wer damals schon zu den Anhängern des exotischen Schwachsinns gehörte, der erinnert sich an
Teilnehmer der ersten Staffel: Schlagersänger und Skiläufer Costa Cordalis wurde zum ersten
Dschungelkönig gewählt, Kabarettistin Lisa Fitz wurde Zweite und Daniel Küblböck Dritter, der
später unter mysteriösen Umständen auf einem Kreuzfahrtschiff verschwand. Moderiert haben
Dirk Bach und Sonja Zietlow.
Die Teilnehmer werden aus den „Star“-Listen der Klasse C oder D rekrutiert. Zum Beispiel: eine
„Cora“ mit dem Familiennamen einer Rennfahrer-Dynastie, die sich ihre Lippen offensichtlich
nach dem Vorbild von Rettungsringen hat modellieren lassen; ein gelernter Briefträger, der
zunächst bei einigen Fußballvereinen reüssiert, aber jetzt scheinbar auf professionelle
Spielteilnahme umgesattelt hat; ein ehemals durchaus passabler Schauspieler, der in seinem
Leben sehr viel Geld eingenommen hatte, aber damit nicht umgehen konnte - und beklagt, er sei
pleite. Jetzt soll er sogar schon ausgeschieden sein.
In der Sendung haben die (leider nur) in vorübergehender „Gefangenschaft“ an exotischen Orten
einsitzenden Teilnehmer verschiedene Mutproben zu bestehen, die oft daraus bestehen, vor
laufenden Kameras möglichst ekelige Dinge zu essen. Dabei handelte es sich nicht immer um
derart „appetitliches“ Material wie Stierhoden oder Fischaugen. Bis vor wenigen Jahren wurden
sogar lebendige Kreaturen verspeist: Kakerlaken, Spinnen oder Würmer zum Beispiel. Da lagen
manchmal mehr intakte Gehirnzellen auf dem Esstisch als drumherum Platz genommen hatten.
Nun besagt die sprichwörtliche Redensart in der Überschrift, dass man jedem zubilligen muss, so
zu handeln, sich so zu verhalten, wie er es für richtig hält, auch dann, wenn dabei besondere
Marotten, Verrücktheiten zutage treten. Sie geht zurück auf den Titel einer humoristischen
Gedichtsammlung von Edwin Bormann (1851 bis 1912), einem sächsischen Dialektdichter, und
Adolf Oberländer (1845 bis 1923), dem neben Wilhelm Busch bedeutendsten deutschen
Karikaturisten seiner Zeit. Der komplette Titel lautete: „Ein jedes Tierchen hat sein Pläsierchen.
Zoologischer Liedergarten."
Das kann man so sehen – muss man aber nicht. Wenn ich mir aussuchen darf, wo ich lieber Zeit
verbringe als beim Zusehen solchen Schwachsinns – dann lieber wegen heftigstem Durchfall auf
dem Klo.