Die Bäuerchen-Opfer werden Lindner kaum retten
Er sei zwar als Generalsekretär verantwortlich, aber das Strategiepapier habe er nicht gekannt
und deshalb „unwissentlich falsch über ein internes Dokument informiert“. Er übernehme mit seinem
Rücktritt die politische Verantwortung „um Schaden von meiner Glaubwürdigkeit und der FDP
abzuwenden“.
Wenn man das dem FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai glaubt, dann müsste die mehrseitige
Scheidungsvereinbarung als Voraussetzung für den Austritt aus der Regierung also an ihm vorbei
gebastelt worden sein. In dem Papier kommen Begriffe vor wie D-Day für den Tag des Austritts,
die deutlich machen, dass die FDP, zumindest ihr Vorstand, anders, als von Lindner behauptet,
gezielt einen Bruch mit den Koalitionspartnern anstrebte.
Da stellt sich die Frage, wer im FDP-Vorstand über die nötige Macht und die Möglichkeit verfügt,
am Generalsekretär vorbei eine solche Vorgehensweise in einer angeblich mehrseitigen Unterlage
vorzubereiten und intern zu vereinbaren.
Das könnte nach allen Gesetzen der Logik nur Christian Lindner als Vorsitzender der Partei
arrangiert haben – oder der Generalsekretär hatte bisher gelogen und hat es in seiner heutigen
Pressekonferenz schon wieder.
Wie dem auch sei, mit dem vermutlich nicht ganz freiwilligen Rücktritt hat Djir-Sarai ein
Bäuerchen-Opfer gegeben, das sicher nicht ausreicht, die FDP wieder in ruhigeres Fahrwasser zu
manövrieren. Da half dann auch der nachgeschobene Rücktritt des Bundesgeschäftsführer Carsten
Reymann nichts mehr. Christian Lindner dürfte nicht länger haltbar sein, wenn die früher einmal
angesehene liberale Partei nicht noch den letzten Rest an Glaubwürdigkeit verlieren solle.
Das üble Geschachere erinnert weniger an großartige Liberale wie Theodor Heuss oder Thomas
Dehler, sondern mehr an die kaum zu überblickende Zahl von Austritten aus Regierungskoalitionen
und Rücktritten einzelner Figuren – nicht immer aus grundsätzlichen Erwägungen, sondern oft aus
sehr persönlichen Gründen.
Einer der Vorgänger als Generalsekretär, nämlich Günter Verheugen, wechselte zu SPD und machte
da sogar auf europäischer Ebene Karriere. Ein anderer ehemaliger Vorsitzender war mit dem Ziel,
die Partei auf 18 Prozent zu bringen, angetreten, wurde aber bald in verschiedene Affären
verstrickt – und stürzte bei einem Fallschirmsprung in den Tod. Ob Unfall, Mord oder Selbstmord
konnte letztlich nie geklärt werden.
Andere fielen in sichere Jobs: FDP-Generalsekretär und Entwicklungsminister Dirk Niebel hatte
seinen Titel wohl zu wörtlich genommen und ein spezielles Verfahren für die Einfuhr eines
unverzollten Teppichs entwickelt: Den ließ er von Kabul nach Berlin per Jet des
Bundesnachrichtendienstes und damit an allen Kontrollen vorbei transportieren. Er sitzt jetzt als
Cheflobbyist bei Rheinmetall und kann sich vermutlich korrekt verzollte Teppiche leisten.