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Denken und Wirklichkeit klaffen meilenweit auseinander Unsere Bezeichnungen und deren frühere Bedeutungen sind eine Seite – was heutzutage real darunter zu verstehen ist, steht auf einem ganz anderen Blatt. Die Veränderungen im Laufe der Zeit sind viel gewaltiger, als gemeinhin angenommen wird. Der Banker galt einmal als seriöser Berufsstand. Das war, bevor Typen aus der Branche Millionen als Peanuts bezeichneten und sich damit meilenweit über Größenordnungen normal denkender Menschen erhoben. Das war, bevor sie vor Gericht noch Zeige- und Mittelfinger großspurig zum Victory-Zeichen spreizten. Das war, bevor Investment-Zockerer mit dem Geld ihrer Kunden auf unseriöseste Weise spekulierten und auf Ernte oder Missernte, auf Glück oder Unglück anderer Menschen wetteten. Unter Politikern verstand man einmal demokratisch gewählte Vertreter des Volkes. Das war, als Abgeordnete ihre Arbeit noch als Vollzeitjob betrachteten und sich nicht Zeit nahmen, „nebenher“ möglichst viel einzusacken. Das war, bevor ausgemusterte oder abgehalfterte Typen sich in die Wirtschaft flüchteten, um da noch einmal richtig Kasse zu machen. Das war, als Minister von sich aus zurücktraten, wenn sie hunderte Millionen in den Sand gesetzt oder das Parlament belogen hatten. Geistliche jedweder Konfession galten einmal als moralische Instanz. Das war, bevor eine Exzellenz mit einem Protzbau auffiel. Das war, bevor eine andere bei einer Autofahrt mit mehr als eineinhalb Promille im Blut, also unter massivem Alkoholeinfluss und absolut fahruntüchtig, eine rote Ampel missachtete. Das war, bevor bekannt wurde, wie oft Talarträger sich an Messdienern und anderen Schutzbefohlenen vergingen. Das war, bevor solche Verbrecher von ihren Vorgesetzten nicht den Staatsanwaltschaften gemeldet, sondern stickum in andere Orte versetzt wurden. Menschen an der Spitze von Unternehmen sorgten sich um ihre Beschäftigen, weil sie eine besondere Beziehung zur Firma und zum Produkt hatten. Das war, bevor angestellte Manager die Branchen beliebig wechseln und mehr die Umsatzsteigerungen im Verlaufe ihrer Verträge und damit ihre Tantiemen im Kopf hatten. Den Medien konnte man einmal als vierte Gewalt im Staate vertrauen. Das war, als die Parteien sich noch nicht der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten bemächtigt hatten. Das war, als noch nicht einzelne Großunternehmer nach ihrem Gusto in den Meinungsspalten ihre Sicht der Dinge von gedungenen Schreibern verkünden ließen. Veranstaltungen des Sports konnte man einmal als spannende Wettkämpfe ansehen. Das war, bevor das Geld eine solche Macht gewann, dass der Sport in den Hintergrund trat und das Geschäft zum absoluten Hauptantrieb wurde. Das war, bevor viele Vereine zu Großunternehmen der Unterhaltungsindustrie degenerierten. Das war, bevor der massive Einsatz pharmazeutischer Produkte Wettkämpfe zu einer Olympiade der Doping-Mittel machte.
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