Andrij Melnyk ist mehr Diplom-Rambo als Diplomat
Diplomaten sind immer Gesandte, also von ihren jeweiligen Ländern geschickte Verhandler.
Allerdings ist – diese Unterscheidung wird Bismarck zugeschrieben – längst nicht jeder Gesandte ein
geschickter. Manche benehmen sich eher wie ausgesprochene Tölpel. Aber nur selten klaffen die
beiden Begriffe derart weit auseinander, wie bei Andrej Melnyk, der von 2015 bis 2022 als
Botschafter der Ukraine in Deutschland zeigte, wie ein Diplomat auf gar keinen Fall auftreten
sollte.
Sogar die bei jeder Gelegenheit massiv für Lieferungen an die Ukraine werbende Kriegswaffen-
Lobbyistin Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) hatte das Verhalten von Melnyk „befremdlich“
und „maßlos“ genannt.
Vor einiger Zeit gab er sich dann in einem Interview mit dem Berliner „Tagesspiegel“ einigermaßen
reumütig. Natürlich nicht in deutlichen Worten, sondern nur diplomatisch verklausuliert: Er räumte
ein, während seiner Zeit in Berlin viele Fehler gemacht zu haben – verband das aber mit dem
Anspruch, die Berliner Politik „aus ihrer Lethargie“ geholt zu haben.
Jetzt hat der promovierte Rechtswissenschaftler und inzwischen als Botschafter weit vom Schuss
nach Brasilien Verbannte erneut verbal zugeschlagen: In der übelsten Manier eines ungehobelten
Polit-Rambos hat er an Rolf Mützenich, den Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, adressiert:
„Habe immer gesagt: Dieser Typ war und bleibt der widerlichste deutsche Politiker. Für immer und
ewig.“
Man muss Rolf Mützenich nicht mögen, nicht mit allen seinen Positionen einverstanden sein. Aber
was ist falsch an dessen grundsätzlicher Haltung, man sollte "nicht nur darüber reden, wie man
einen Krieg führt, sondern auch darüber nachzudenken, wie man einen Krieg einfrieren und später
auch beenden kann".
Ausgerechnet Melnyk, der ungehobeltste aller ungehobelten Polit-Rambos, unterstellte
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mangelndes Feingefühl in Bezug auf die Ukraine. Für
Steinmeier sei das Verhältnis zu Russland „etwas Fundamentales, ja Heiliges“, demgegenüber auch
der russische Angriffskrieg keine große Rolle spiele. Steinmeier habe seit Jahren ein „Spinnennetz
der Kontakte mit Russland“ geknüpft, zu dem auch einflussreiche Vertreter der gegenwärtigen
Ampel-Regierung gehörten.
Der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) sprach sich für vorsichtige
Nüchternheit aus und verglich Melnyk mit einem früheren sowjetischen Diplomaten: „Regierungen
müssen Entscheidungen treffen nach Abwägung aller Gesichtspunkte. Deswegen finde ich die
nüchterne, auch vorsichtige Haltung der Bundesregierung unter Kanzler Scholz richtig. Das schafft
mehr Vertrauen als ständige Rufe nach mehr und noch mehr. Ich vertraue jedenfalls Olaf Scholz
mehr als dem ukrainischen Botschafter. Der erinnert mich an den sowjetischen Botschafter in der
DDR, dessen robustes Verhalten aber wenigstens nicht öffentlich stattfand.“
Der Meinung kann man sich nur anschließen und hoffen, dass Melnyk sich bald wieder ganz seinen
Aufgaben in Brasilien widmen wird.